31.01.2018

Plädoyers der Verteidigung Justin S. und Kleinert

Zunächst plädierte heute die Verteidigung Justin S., bei dem die Besonderheit vorliegt, dass er zum Tatzeitpunkt noch Heranwachsender war und für den deshalb Jugendstrafrecht anzuwenden sein wird.

Justin S. Verteidiger, Rechtsanwalt Renz, beschrieb seinen Mandanten als jungen Mann, der die Enge seiner heilen Familie verlassen will und in der ihn anziehenden „Männerwelt“ auf die übrigen, deutlich älteren, Mitglieder der Gruppe Freital trifft und von diesen Anerkennung erhalten will. In dieser Situation hätte er sich die politischen Parolen und Sichtweisen zu eigen gemacht und mit der Teilnahme an den Straftaten, für die er jetzt angeklagt ist, Anerkennung gewinnen wollen.

Seine zweite Verteidigerin, Rechtsanwältin Hilprecht, nahm den Bericht der Jugendgerichtshilfe zur Grundlage ihrer Ausführungen und versuchte damit zu begründen, weshalb für ihren Mandanten Jugendstrafrecht anzuwenden ist.

Dieser Bericht der Jugendgerichtshilfe ist allerdings im Grunde genommen kaum verwertbar. Mit der Persönlichkeit des Angeklagten S. und seinem Wertegefüge setzt er sich nämlich nicht in ausreichender Weise auseinander. In dem Bericht wird beispielsweise ausgeführt, Herr Schiefner habe kein Problem mit „Ausländern“, immerhin sei „Justins erstgeborener Neffe ein Mischling“. Damit reproduziert der Bericht selbst ein auf der Klassifizierung von Menschen in Rassen – anders ist die Verwendung des Wortes Mischling nicht zu erklären – basierendes Menschenbild. Ein Bericht der auf solche einer Grundlage erstellt wird, kann kaum als Grundlage für die Beurteilung der Persönlichkeit des Angeklagten S. dienen.

In der Sache bestritt die Verteidigung die Existenz einer Vereinigung an sich. Die Gruppe sei intern zu individualistisch und chaotisch organisiert gewesen, um eine Vereinigung darstellen zu können.

Bei dem Angriff auf die Geflüchtetenwohnung in der Wilsdruffer Straße habe „keinerlei“ Tötungsvorsatz vorgelegen. Die Angeklagten hätten nicht mit der Möglichkeit gerechnet, dass durch das Zünden der Sprengsätze ein Mensch ums Leben kommen kann. Diese Argumentation steht allerdings im Widerspruch zur Aussage des Justin S.. In der Hauptverhandlung vom 7. März 2017 fand der nachfolgende Wortwechsel statt:

Vorsitzender: „Haben sie mal erlebt wie eine C6 oder C12 explodiert?“

S.: „Gesehen habe ich das, sehr gefährlich, tödlich.“

In der weiteren Vernehmung sagte S.:

„Dass C12 tödlich ist, ziehe ich daraus, dass wenn man den nah am Körper zünden würde, nehme ich an, dass der tödlich sei. Deswegen habe ich in Übigau den LaBomba-Teppich genommen. Warum ich den [C12] aber in Wilsdruffer Str. genommen habe, weiß ich nicht.“

Damit wird deutlich, dass auch das Plädoyer der Verteidigung S., abgesehen von den zutreffenden Ausführungen zu Anwendung von Jugendstrafe und zu seinem umfassenden Geständnis, im Wesentlichen lediglich ein Leugnen darstellt.

Im Übrigen dürfte diese Aussage auch einen Rückschluss auf das Wissen der übrigen Angeklagten in Bezug auf die Lebensgefährlichkeit des Einsatzes der verwendeten Sprengsätze, zulassen.

Nach der Mittagspause erhielt dann die Verteidigung der Angeklagten Kleinert das Wort. Zunächst setzte Verteidiger Brunzel zu einem Rundumschlag gegen die angebliche Vorverurteilung der Angeklagten durch Justiz und Presse an. Generalbundesanwalt Frank habe mit der Übernahme des Verfahrens ein Zeichen setzen wollen, die Presse die Bewertung der Angeklagten als terroristische Vereinigung einfach übernommen.

Er setzte sich dann mit dem Plädoyer der Bundesanwaltschaft auseinander. Diese hätte lediglich erneut das Ergebnis der Ermittlungen aus der Anklage vorgetragen und die Beweisaufnahme im Prozess ignoriert. Eine Vereinigung habe nicht vorgelegen, weil die Gruppenstruktur hierfür nicht ausreichend entwickelt gewesen sei. Die Handlungsbeiträge seiner Mandantin würden insgesamt von der Anklagebehörde überhöht. Zur Rolle Kleinerts in der Gruppe, wie sie in den Chats zu Tage getreten ist, verlor die Verteidigung kein Wort, dies wäre für die Verharmlosung ihrer Person abträglich gewesen.

Am Ende beantragte die Verteidigung Kleinert eine Freiheitsstrafe von höchstens ein Jahr sechs Monaten für ihre Mandantin und stellte einen Hilfsbeweisantrag unter anderem auf Zeugenvernehmung einer anderweitig Mitbeschuldigten.

In der kommenden Woche werden die Plädoyers der Verteidigung abgeschlossen werden.

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