08.12.2017

„Ich kann kein Nazis sein, mein Hund hat ja einen türkischen Namen…“

Am einzigen Hauptverhandlungstag in dieser Woche lief die vom Gericht gesetzte Frist zur Stellung von Beweisanträgen aus. Daher nutzen mehrere Verteidiger sowie die Nebenklage Wohnprojekt Overbeckstraße diese Chance und stellten eine Vielzahl von Beweisanträgen.

Der Verteidigung Knobloch ging es mit ihren Anträgen hauptsächlich darum, die Einlassung ihres Mandanten zu untermauern. So beantragten die Verteidiger die Vernehmung der Person, die am Vortag des Anschlages auf die Mangelwirtschaft an der rassistischen Blockade angegriffen worden sein soll sowie eine weitere Zeugin und eine Nebenklägerin aus der Mangelwirtschaft, die nach diesem vermeintlichen Angriff an der Blockade ein Gespräch geführt haben sollen. Weiter wollen die Verteidiger nochmals alle Bewohner_Innen der Mangelwirtschaft und mutmaßliche Tatbeteiligte der Freien Kameradschaft Dresden zum Tathergang und dabei insbesondere zu dem Verteidigungsverhalten der Bewohner_Innen hören.

Die Verteidigung Knobloch verspricht sich offensichtlich eine mildere Strafe, wenn sie darlegen können, dass dem Angriff auf die Mangelwirtschaft eine Körperverletzung vorangegangen sei und die Betroffenen versucht haben, sich zu wehren. Auch die weiteren Anträge zielten darauf, die erwarteten Freiheitsstrafen der Angeklagten zu senken. So führte die Verteidigung Knobloch in ihren weiteren Anträgen aus, dass ihr Mandant maßgeblich für die Erhebung der Anklage gegen die inzwischen bereits verurteilten Mitglieder der FKD hinsichtlich des Angriffs auf die Overbeckstraße gewesen sei. Ausserdem habe Knobloch in einer erst kurz zuvor durchgeführten polizeilichen Vernehmung einen weiteren Täter des Angriffs identifiziert habe. Der letzte Antrag dürfte der einzige mit einer überhaupt messbaren Erfolgschance sein.

Die Verteidigung Kleinert möchte noch bewiesen haben, dass der Hund der Angeklagten einen türkischen Namen habe, der übersetzt „Glasperle“ bedeute. Daran und an Hand der Tatsache, dass die Angeklagte aus ihrer Homosexualität nie einen Hehl gemacht habe, liesse sich festmachen – so die Verteidigung – dass die Angeklagte Kleinert nicht rechtsmotiviert gehandelt haben könne. Dieser Antrag zeigt, wie wenig Verständnis die Verteidigung Kleinert von rechten Einstellungen hat, aber auch, wie verzweifelt und unkreativ die Verteidigung in diesem Verfahren agiert. Wie das Gericht jedoch in der Vergangenheit in Befragungen deutlich gemacht hat, hängt es dieser eindimensionalen Sichtweise in Bezug auf die Motivation der Angeklagten nicht an und wird diesen Antrag voraussichtlich abweisen.

Ein Verteidiger des Angeklagten Seidel – Herr Rechtsanwalt Kohlmann – beantragte unter anderem ein neues Sachverständigengutachten zu Splitterverletzungen und die Einvernahme von Zeugen eines Vorfalls in der Buslinie 360 auf Grund dessen sich einige der Angeklagten „zusammentaten, um etwas für die Sicherheit in der Region und gegen deren Beeinträchtigung durch Asylbewerber“ zu unternehmen. Dieser Antrag sagt mehr über den Verfasser selbst aus, als über die Anklagevorwürfe und die Beweissituation. Offensichtlich meint der Verteidiger, dass ein in seinen Augen auf Grund eines realen Vorgangs beruhender Zusammenschluss der Angeklagten zu einer Bürgerwehr, die Schuld an den Taten, wie zum Beispiel der angeklagte Mordversuch an den Bewohnern der Wohnung in der Wilsdruffer Straße, zu mindern vermag. Damit dürfte Herr Rechtsanwalt Kohlmann seinem Mandanten zwar, aus Rechtsgründen, nicht schaden, aber einen Gefallen tut er ihm dennoch nicht, trägt er doch die irrige Annahme der Angeklagten, die sich bereits aus deren Chats ergeben hat, sie befänden sich in einer Art Abwehrkrieg gegen Geflüchtete, die ihr „Volk“ bedrohen würden, weiter in den Prozess hinein und zeigt damit, dass sein Mandant sich von der Tatmotivation nicht entfernt hat.

Schließlich stellte die Nebenklage Mangelwirtschaft durch Ihren Rechtsanwalt Oliver Niessing mehrere Anträge. Diese beschäftigten sich umfänglich mit den Organisatoren der rassistischen Blockade in Übigau und deren Verbindung zu den Anklagten sowie weiteren Akteuren der rechten Szene.

Weiterhin versuchte die Nebenklage Mangelwirtschaft die Kennverhältnisse und mögliche Unterstützungshandlungen sächsischer Polizisten weiter zu thematisieren und beantragte dazu, verschiedene Akten beizuziehen und Zeugen zu hören. Die Nebenklage Mangelwirtschaft geht dabei thesenhaft davon aus, dass insbesondere der Angriff auf das Hausprojekt Mangelwirtschaft aber auch der Sprengstoffanschlag auf die Geflüchtetenunterkunft in der Wilsdruffer Straße durch die sächsische Polizei hätte verhindert werden können. Worauf die Nebenklage Mangelwirtschaft diese These unter Ansehung der bisherigen Beweisaufnahme stützt, konnte der vorgetragenen Begründung nicht entnommen werden. Es fragt sich auch, warum diese Anträge erst nach Abschluss der vom Gericht geplanten Beweisaufnahme kommen, und damit kaum Aussicht auf Erfolg haben, da sie die Prozessdauer verlängern würden.

Außer Frage steht, dass die Ermittlungsbehörden und insbesondere die Staatsanwaltschaft Dresden eklatante Fehler gemacht haben. Das hat die bisherige Beweisaufnahme bereits ergeben. Sollte der Beweisantrag der Nebenklage Mangelwirtschaft Erfolg haben und das gewünschte Ergebnis erbringen, kann sich die Verteidigung bei der Nebenklage Mangelwirtschaft für die erfolgreiche Zusammenarbeit bedanken, würde sich dies dies doch unter Umständen sogar strafmildernd für die Angeklagten auswirken. Anders als zum Beispiel im NSU-Verfahren zielen diese Anträge der Nebenklage Mangelwirtschaft nämlich erkennbar gar nicht darum, staatliches Versagen und Verstrickungen von Geheimdiensten oder Polizei aufzuklären, sondern laufen letztlich lediglich darauf, strafrechtliche Schuld zu teilen und zu verschieben, ohne auch nur einen Anhaltspunkt zu liefern, die ihre These stützen könnte. Selbst die Verteidigung ist noch nicht auf den Gedanken gekommen, diese Art von Verteidigungsstrategie zu wählen und ihre Mandanten in dieser Art und Weise zu entlasten und zu entschuldigen. Warum die Nebenklage Mangelwirtschaft, gewollt oder ungewollt, diese Aufgabe übernimmt, erschließt sich nicht.

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