Kronzeugenregelung für Schulz und Festing unwahrscheinlich und: Generalstaatsanwaltschaft Dresden blockierte Ermittlungen
Ein weiteres Mal wurde heute KHK Matyjaszczuk vom LKA Sachsen gehört, der gemeinsam mit drei weiteren Beamten die Hauptermittlungen im vorliegenden Fall geleitet hatte.
Zunächst ging es um einen USB-Stick, der beim Angeklagten Festing gefunden wurde und der unter anderem Anleitungen zum Bau von Rohrbomben enthielt. Festing hatte erklärt, er habe diesen Stick von einem Bekannten über den Mitangeklagten Seidel erhalten. Die Polizei hatte dies schlicht geglaubt und keine weiteren Ermittlungen angestellt.
Der Stick war ungenügend ausgewertet worden: die Vernehmung des auswertenden Beamten war vor einigen Wochen damit zu Ende gegangen, dass Verteidigung und Nebenklage beantragt hatten, eine Image, also eine 1:1 Originalkopie des Sticks zu erhalten. Eine solche lag inzwischen immer noch nicht vor, dafür aber eine CD mit Daten, die sich im zum Löschen freigegebenen Teil des Speicherplatzes des Sticks befunden hatten und die wieder hergestellt wurden. Ein kurzer Blick auf diese Daten ergab, dass die bisherige Auswertung nicht nur unzureichend, sondern irreführend war. Auf dem Stick befanden sich nämlich große Mengen persönlicher Daten des Angeklagten Seidel: Fotos, Bewerbungen, Musik, darunter gewaltverherrlichende, rassistische Musik von Bands aus dem Blood and Honour Spektrum. Die legt die Vermutung nahe, dass Seidel nicht nur Überbringer der Bombenbauanleitungen, sondern selbst in die Planung involviert war.
Der Zeuge gab an, er habe bei seinen Ermittlungen diesegelöschten Dateien nicht sehen können. Es besteht die Befürchtung, dass die Auswertung nicht nur in diesem Falle fehlerhaft, sondern dass sie systematisch zu stark auf die Suche nach Anhaltspunkten für Anschläge mit Pyrotechnik eingeschränkt und damit insgesamt unbrauchbar war.
Danach wurde der Zeuge noch nach einer Vernehmung des Angeklagten Festing befragt. Er gab an, dass dieser insgesamt eher Ausflüchte präsentiert hatte, dass nicht wirklich Neues von festing zu erfahren war und dieser den Eindruck machte, seine Aussage auf die ihm vorliegende Ermittlungsakte abgestimmt zu haben. Die Verteidigung Festing hatte bislang darauf gezielt, die Kronzeugenregelung für die Angaben ihres Mandanten gegenüber der Polizei in Anspruch zu nehmen. Diese Strafmilderung kommt aber nur in Betracht, wenn durch die Angaben eines Beschuldigten eine weitere erhebliche Straftat aufgeklärt wird. Nach der Aussage des Zeugen dürfte eine solche Strafmilderung nicht mehr in Betracht kommen.
Danach folgte die Befragung zu einer Vernehmung des Angeklagten Schulz. Der Zeuge gab an, dass aus der Vernehmung selbst sich kaum Angaben zur Organisationsstruktur der Gruppe entnehmen liessen. Er könne nicht sagen, dass die Vernehmung Schulz wesentlich Neues gebracht hätte. Damit dürfte auch der Angeklagte Schulz kaum großen Nutzen aus der Kronzeugenregelung zu erwarten haben.
Zuletzt schilderte der Zeuge eine Vernehmung des Angeklagten Justin S., des jüngsten Angeklagten, der in der Hauptverhandlung als erster umfangreich und relativ rückhaltlos ausgesagt hatte. Die Aussage des Angeklagten Justin S. hatte bei dem Zeugen fast keine Erinnerung hinterlassen, so dass er zugeben musste, er habe dessen Aufklärungsleistung wohl unabsichtlich „unterschlagen“.
Die anschließende Befragung durch die Nebenklage lieferte interessante Details zu Tage: Der Zeuge und seine Kollegen hatten regelmäßig Kontakt zur Staatsanwaltschaft Dresden gehabt, insbesondere zu der Staatsanwältin, die bereits als Zeugin ausgesagt hatte und mit diesem Verfahren zur Generalstaatsanwaltschaft wechselte. Der Zeuge gab an, er habe mehrfach mitgeteilt, dass seine Abteilung Hinweise bzgl. des Vorliegens einer kriminellen bzw. terroristischen Vereinigung als gegeben sah. Spätestens nach dem Angriff auf das Wohnprojekt Overbeckstraße seien sie von einer solchen Struktur ausgegangen. Er selbst habe diese rechtliche Einschätzung der Staatsanwaltschaft mehrfach mitgeteilt. Dass die sachbearbeitende Staatsanwältin eine andere Einschätzung hat, habe sie ihm ohne Begründung mehrfach mitgeteilt. Insbesondere habe er mehrfach angeregt, ein sogenanntes Strukturermittlungsverfahren einzuleiten, also ein Verfahren mit dem Ziel, festzustellen, ob hier Taten vorliegen, die von einer Gruppe ausgeführt wurden. Dies habe er sogar „lautstark“ getan. Die erzwungene Aufteilung in einzelne Strafverfahren habe die Ermittlungen behindert und unnötig kompliziert gemacht, sei aber von der Staatsanwaltschaft so beibehalten worden. Der Ermittlungsauftrag der Staatsanwaltschaft habe sich im gesamten Verfahren nicht geändert.
Damit steht fest, dass die Staatsanwaltschaft Dresden bzw. die Generalstaatsanwaltschaft Dresden bis zuletzt verhindern wollte, dass ganz offiziell gegen organisierte Naziaktivitäten in Sachsen ermittelt wird und dabei in Kauf nahm, dass die Ermittlungen behindert bzw. blockiert wurden. Dabei scheint sie die motivierten Polizeibeamten, wie den Zeugen, nicht nur ignoriert, sondern behindert, demotiviert und verschlissen zu haben. Sächsische Verhältnisse eben. Es fragt sich, ob dieses Strafverfahren hier etwas zu verändern im Stande ist.