27.02.2018

Replik auf die Verteidigungs-Plädoyers und letzte Worte der Angeklagten

Für den heutigen Verhandlungstag waren lediglich die angekündigten Repliken der Nebenklage Wilsdruffer Straße und des Bundesanwalts auf die Verteidigungsplädoyers sowie die letzten Worte der Angeklagten vorgesehen.

Die Nebenklage Wilsdruffer Straße machte deutlich, dass sich ihre Replik lediglich darauf beschränkt einzelne Argumente aus den Plädoyers zu widerlegen, die sich aus der Beweisaufnahme nicht aufgedrängt haben.

Zum einen wurde nochmals auf die Bedrohung des Gerichts durch Rechtsanwalt Kohlmann eingegangen. Kohlmann habe versucht, die Ziele der terroristischen Vereinigung, die die Angeklagten gebildet haben, in der Hauptverhandlung fortzusetzen, nämlich den politischen Gegner einzuschüchtern, zu bedrohen und zum Rückzug zu zwingen. Die Taten der Angeklagten seien insoweit in Freital auf fruchtbaren Boden gefallen, als ein großer Teil der dortigen Bevölkerung die Ziele der Angeklagten teilte, ein sehr großer Teil der dortigen Bevölkerung darüber hinaus, keinerlei Engagement für die demokratischen Rechte von Geflüchteten, von Antirassist*Innen und Linken hatte. Es sei der Mehrheit einfach egal gewesen, ob Geflüchtete und Linke gewaltsam vertrieben werden. Und so sei es auch im Prozess auch den meisten Verteidigern egal, ob dem Gericht in Aussicht gestellt wurde, dass sie sich für das kommende Urteil „nach dem Systemwechsel“ strafrechtlich zu verantworten hätten. Das Gericht müsse einen adäquaten Weg finden, mit dieser Situation umzugehen.

Man darf gespant sein, welche Antwort darauf das Gericht in seinem Urteil geben wird.

Danach setzte sich die Nebenklage mit dem Verteidiger des Angeklagten Schulz auseinander, der in seinem Plädoyer eine abenteuerliche Berechnung aufgemacht hatte, nach der eine mögliche Todesgefahr beim Anschlag Wilsdruffer Straße praktisch nicht bestanden habe. Dieser Argumentation hatten sich im Wesentlichen alle Verteidiger angeschlossen. Der Verteidiger hatte dabei versucht auszurechnen, wie groß die Wahrscheinlichkeit war, dass ein Glas-Splitter eine tödliche Verletzung der Drosselvene eines der im Raum befindlichen Menschen verursachen könne. Eine solche potentiell tödliche Verletzung hatte der als Sachverständige gehörte Rechtsmediziner angesichts des durch die Sprengsätze verursachten Glassplitterfluges für möglich gehalten.

Bei Splittertreffern der seitlichen unbekleideten Halsregionen hätte es unter anderem zur Eröffnung einer Drosselvene mit der Gefahr einer tödlichen Luftembolie und bei Eröffnung der Halsschlagader zu einem erheblichen und unter Umständen tödlichen Blutverlust kommen können.

Es befanden sich in der gesamten Küche, auch an der der Fensterseite gegenüberliegenden Wand Glassplitter. Die Explosion hatte also unzählige Glassplitter durch den gesamten Raum geschleudert.

Die Berechnung des Schulz-Verteidigers bezog sich allerdings lediglich auf die von einem Glassplitter ausgehende Gefahr und kam damit zu einer sehr geringen Trefferwahrscheinlichkeit. Um zu einer realistischen Gefahrenprognose zu kommen, müsste dieses Ergebnis aber auf die tatsächliche Anzahl von Glassplittern hochgerechnet werden, also mit einem Faktor von mindestens 30-100 multipliziert werden. Damit sei die Behauptung, eine konkrete Lebensgefahr könne ausgeschlossen werden, widerlegt.

Der Vertreter des Bundesanwalts fasste sich sehr kurz: Je mehr er über das Plädoyer des RA Kohlmann nachgedacht habe, desto schlechter würde ihm. Wenn hier Freisler als Musterbeispiel für einen funktionierenden Rechtsstaat angeführt und bei der Weißen Rose von der „Gruppe München“ gesprochen werde, grenze dies schon an Geschichtsrevisionismus.

Er hoffe sehr, dass dieses Auftreten des Rechtsanwalt Kohlmann von der Rechtsanwaltskammer beleuchtet würde.

RA Kohlmann erwiderte, er habe Freisler nicht als Vertreter eines funktionierenden Rechtsstaats benannt. Er habe nur gesagt, dass SELBST Freisler einen Angeklagten freigesprochen habe, wenn nicht genügend Beweise vorhanden waren.

Im Anschluß baten mehrere Verteidiger um eine 15-minütige Unterbrechung, weil sie das letzte Wort noch nicht mit ihren Mandanten besprochen hätten.

Die Angeklagten wiesen allesamt darauf hin, dass ihnen ihre Taten leidtäten, dass sie sich bei den Opfern entschuldigten wollten, dass sie sich nicht erklären könnten, warum sie diese Taten verübt hätten, dass sie nie wieder eine Straftat begehen würden und dass sie (natürlich) niemals jemanden Verletzten oder töten wollten.

Lediglich die Angeklagte Weiss und Kleinert wichen insoweit etwas von der Gruppe ab: Weiss hatte bereits in seiner Einlassung gesagt, er wisse, er habe Schuld auf sich geladen und würde nun hierfür die Konsequenzen tragen. Die Angeklagte Kleinert zeigte immerhin einen Ansatz von versuchter Reflexion, der allerdings gründlich schiefging, als sie ausführte, sie habe für sich herausgefunden, dass sie sich gegen Diskriminierung positionieren müsse, weil beispielsweise ihre beiden geliebten Staffordshire-Hunde ja auch wegen ihrer Rasse diskriminiert würden, und sie ein solches Verhalten falsch fände.

Das Urteil soll am Mittwoch den 07.03.2018 um 14:00 Uhr verkündet werden.

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