Letzte Plädoyers der Verteidigung: Wir haben uns von den Vorgängen nicht bedroht gefühlt.
Am heutigen Verhandlungstag erfolgten die Plädoyers der letzten beiden Angeklagten Weiß und Knobloch. Die Argumentationen der vier Verteidiger spiegelten im Wesentlichen wieder, was bereits in den vorangegangenen Verteidigerplädoyers vorgebracht wurde, und was sich vereinfacht als „Leugnen und Verharmlosen“ zusammenfassen lassen kann. Die Gemeinsamkeiten sollen im heutigen Blog nochmals kurz dargestellt werden.
Ganz individuell beantragte die Verteidigung Weiß, für diesen eine Haftstrafe von höchstens drei Jahren.
Weiß habe sich eindeutig distanziert, er habe sich teil-geständig eingelassen. Er habe sich nur deshalb nicht vollständig eingelassen, weil er sonst möglicherweise seine im Unterstützerverfahren gesondert verfolgte Lebensgefährtin hätte belasten müssen. Im übrigen habe er unter dem Einfluss seiner Lebensgefährtin gestanden, Angst vor den übrigen Gruppenmitgliedern gehabt, wobei nur eine Gruppe, keine Vereinigung bestanden habe, und er sei Teil einer „sozial bedrohten Schicht“ und dessen in besonderer Weise durch den Flüchtlingszustrom sozial verängstigt gewesen. Wenn überhaupt, so sei Weiß als „Mitläufer“ aus einem niedrigeren Strafrahmen zu bestrafen.
Mit der Behauptung die Taten seien „kein Ausdruck einer Gesinnung“ ihres Mandanten gewesen, dies sei im Prozess jedenfalls nicht festgestellt worden, gehen die Verteidiger noch hinter das kurze, aber ehrlich erscheinende Geständnis ihres Mandanten zurück, der erklärt hatte, dass er nicht ohne Grund auf der Anklagebank und in Untersuchungshaft sitze weil er Schuld auf sich geladen habe, auch wenn er nicht der aktivste in der Gruppe gewesen sei.
Die Verteidigung Knobloch beantragte für ihren Mandanten eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren. Knobloch sei weder organisatorisch noch ideologisch Teil der Gruppe Freital gewesen, er habe keine Kenntnis von den konkreten Tatplänen gehabt, sei an den Testsprengungen nicht beteiligt gewesen. Mit der besonderen Rolle Knoblochs als Doppelmitglied in der Freien Kameradschaft Dresden sowie der Gruppe Freital und damit als Bindeglied zwischen den beiden Gruppen der im besonderen Maße für die gefährliche Gruppendynamik verantwortlich war, musste sich die Verteidigung nicht auseinandersetzen, indem sie diese, unter Hinweise auf andere Kennverhältnisse zwischen den Gruppen, schlichtweg leugnete.
Die Plädoyers aller vier Verteidiger der beiden Angeklagten kamen immer wieder auf bestimmte Argumentationsmuster zurück, die bereits in den vorangegangenen Plädoyers angeklungen waren, und die es aber Wert sind, dargestellt zu werden.
Der Anwendung des § 129a StGB wird seitens aller Angeklagter widersprochen, da bereits keine Vereinigung bestanden habe. Dabei wird allerdings ignoriert, dass die Angeklagten ihr gemeinsames Ziel, den Kampf gegen die „Flüchtlingspolitik“ der Bundesregierung und für die Vertreibung von GeflüchtetenunterstützerInnen und Geflüchteten ziemlich klar untereinander artikuliert, ein arbeitsteiliges Vorgehen nicht nur vereinbart, sondern auch durchgeführt und natürlich eigene Interessen im gemeinsamen Interesse hintenangestellt haben, wenn beispielsweise der Angeklagte Knobloch Bedenken gegen den Angriff auf das Hausprojekt Overbeckstraße anmeldete und sich trotzdem daran beteiligte.
Als nächstes Argument wird redundant vorgetragen, die Angeklagten hätten den möglichen Tod der Geflüchteten in der Wilsdruffer Straße nicht vorhersehen können und nicht billigend in Kauf genommen. Vor dem Hintergrund der bei den zuvor durchgeführten Anschlägen sichtbar gewordenen Schäden und der Situation, dass die Zündung der Sprengsätze in der Wilsdruffer Straße quasi Auge in Auge mit den Tatopfern erfolgte, nachdem man das Haus präzise ausgekundschaftet hatte, wirkt diese Argumentation hilflos.
Zuletzt wurde insbesondere von den Verteidigern Weiß und Knobloch behauptet, insbesondere der Tatbestand des § 129a Abs. 2 StGB sei nicht erfüllt. Nach diesem Tatbestand macht sich auch strafbar, wer mit bestimmten Gewalttaten, unter anderem der hier angeklagten Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion versucht, „die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern“ oder auch „die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates erheblich zu beeinträchtigen“. Der Bundesanwalt hatte argumentiert, der Versuch politische Gegner und Geflüchtete zu vertreiben beeinträchtige das verfassungsgemäße Zusammenleben in der Gesellschaft, da das friedliche Zusammenleben mit Minderheiten von der Verfassung garantiert werde.
Im Plädoyer der Verteidigung Weiß hiess es, der Verteidiger, der sein Büro in Freital habe, und sein Umfeld, hätten sich von den Anschlägen der Angeklagten im Jahr 2015, von den massiven Blockaden, den Ausschreitungen in Dresden, Heidenau oder Leipzig Connewitz nicht bedroht gefühlt. Die deutsche Mehrheitsbevölkerung habe ganz normal weitergelebt. Folgerichtig wird völlig ignorant angeführt, eine „überregionale Kenntnisnahme der Vorgänge“ sei ihm nicht bekannt. Aus diesen Gründen sei der „Staat nicht gefährdet gewesen“.
Diese Ausführung machen nur Sinn, wenn die Verteidigung tatsächlich die Grundrechte und den Anspruch auf ein friedliches Zusammenleben ausschließlich für Deutsche Flüchtlingsgegner, nicht aber für Geflüchtete und GeflüchtetenhelferInnen gelten lassen will. In der Konsequenz verharmlost eine solche Auffassung Pogrome, weil diese sich ja naturgemäß nicht gegen die Bevölkerungsmehrheit richten und von dieser ignoriert und unter Umständen sogar gut geheissen werden. Um so schlimmer, dass solche Thesen von einem erheblichen Teil der Verteidiger im Verfahren vor dem OLG gutgeheissen werden.
Ins gleiche Horn stößt die nächste Forderung, der sich fast alle Verteidigungsteams angeschlossen haben: es habe ein „Staatsverschulden auf Seiten der bundesdeutschen Einwanderungspolitik“ bestanden, dieses müsse strafmildernd berücksichtigt werden. Die Flüchtlingspolitik habe den Nährboden für die von den Angeklagten begangenen Straftaten gelegt, Politiker, die öffentlich davon gesprochen hätten, dass der Flüchtlingszustrom nicht mehr kontrollierbar sei, hätten eine Situation geschaffen, in der die Angeklagten ihre Taten als gerechtfertigte Reaktion hierauf empfunden hätten. Der gesellschaftliche Frieden sei vor allem durch die „gesamte gesellschaftliche Situation” beeinträchtigt gewesen.
Diese Argumentation ist natürlich strafrechtlicher Unfug, das muss auch der Verteidigung bewusst sein: Die Entscheidung lebensgefährliche, verbotene Sprengsätze gegen Geflüchtete einzusetzen und dabei in Kauf zu nehmen, dass diese lebensgefährliche Verletzungen erleiden, Wohnhäuser, Büros und einen PKW mit solchen Sprengsätzen anzugreifen, kann keinerlei Rechtfertigung oder Schuldmilderung dadurch erfahren, dass die Regierung sich im Jahr 2015 dazu entschieden hatte, für einen kurzen Zeitraum die Grenzen zu öffnen. Ganz im Gegenteil, diese Entscheidung musste jedem deutlich machen, dass diese Geflüchteten eine positive Aufnahme in diesem Land, auch in Freital finden sollten. Die teilweise rassistischen Ausfälle von Politikern, die das Zusammenbrechen der öffentlichen Ordnung heraufbeschworen konnten natürlich keine Legitimation für schwerste Straftaten darstellen. Und darüber hinaus hat die Beweisaufnahme deutlich gemacht, dass die meisten Angeklagten im Jahr 2015 bereits über ein gefestigtes rassistisches und teilweise nazistisches Weltbild verfügten, das nicht erst durch die Ankunft der Geflüchteten entstand.
Die Ausführungen der Verteidigung sind damit eher als Aufforderung an das Gericht zu verstehen, sich der Meinung der heraufbeschworenen Mehrheitsmeinung anzuschließen, die angeblich der Meinung war oder ist, dass die Anschläge der Angeklagten eine verständliche Reaktion seien, und ohnehin jetzt alles gut werde, weil die Politik ja inzwischen verstanden habe, und nunmehr eine restriktive Flüchtlingspolitik betreibt.
Mit dieser Position gehen die Verteidiger zwar nicht so weit, wie RA Kohlmann, der das Gericht in seinem Plädoyer mit Strafverfolgung wegen „Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung“ bedroht hat, sie zeichnen aber dennoch ein Bild, nach dem eine harte Verurteilung von der Bevölkerungsmehrheit nicht als legitim empfunden werden würde. Solche Argumentationen sind letztlich rechtspopulistische Propaganda im Gerichtssaal.
Nach Abschluss der Plädoyers hob des Gericht die Verhandlungstermine am 07.02. und 09.02.2018 auf. Nach den Winterferien wird am 27.02.2018 weiterverhandelt. Die Nebenklage Wilsdruffer Straße und der Generalbundesanwalt haben darum gebeten nochmals Gelegenheit zur Replik auf die Plädoyers der Verteidigung zu erhalten, die Angeklagten werden die Möglichkeit haben, ein letztes Wort an das Gericht zu richten. Am 28.02.2018 wird dann voraussichtlich das Urteil verkündet.