“Hardcore-Rechte” und ein verhandlungsunfähiger Angeklagter
In dieser Woche sollten vor allem die Anschläge auf den Freitaler Linken-Politiker Richter und der Anschlag auf die Geflüchteten in der Bahnhofsstraße behandelt werden. Geladen waren auch die Geschädigten. Schon zu Beginn der Verhandlung meldete sich allerdings die Verteidigung des jüngsten Angeklagten Justin S., der als einziger bislang ausgesagt hat und dabei teilweise ungewollt ein weitgehendes Geständnis gemacht hatte: Justin S. sei krank und möglicherweise verhandlungsunfähig. In der Folge wurde dann zwar noch begonnen einen Polizeibeamten zu vernehmen. Gegen Mittag wurde allerdings unterbrochen und nach einer Wartezeit mitgeteilt, dass die Hauptverhandlung bis nächsten Dienstag den 04. April wegen Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten S. unterbrochen werden muss. Augenscheinlich ist Justin S. nach seiner Aussage und der mutmaßlichen Bedrohung durch Mitangeklagte (wir berichteten am 24.03.2017) auch psychisch stark angeschlagen.
Immerhin ergab die Vernehmung des einzigen Zeugen, eines Kriminalhauptkommisars, der als „Truppführer“ unter anderem die Hausdurchsuchung bei dem Angeklagten Weiss, im Anschluss dessen Vernehmung, sowie die Vernehmung des letzte Woche geladenen NPD-Stadtrats Abraham durchgeführt hatte, einige Informationen. Der Zeuge war selbst nicht in die Ermittlungen eingebunden und erhielt nur eine minimale Einführung, sowie für die Befragungen einen „Fragenspiegel“ den er in der Vernehmung abarbeitete.
Bei der Hausdurchsuchung sei der Angeklagte Weiss durch ein Fenster geflohen. Die Beamten mussten, so der Zeuge, die Türe öffnen lassen. Es fanden sich keine relevanten Gegenstände in der Wohnung. Im Anschluss wurde die Wohnung der Freundin des Angeklagten durchsucht. Man habe sich mündlich einen Durchsuchungsbefehl erteilen lassen.
Die Vernehmung des NPD-Stadtrates Abraham sei aufgrund des Vorwurfes der Sachbeschädigung durch rassistische Graffitis in Freital durchgeführt worden. Dieser hätte bereitwillig Auskunft erteilt. Insbesondere hätte er, gefragt nach den Sprengstoffanschlägen angegeben, hierfür seien „Hardore-Rechte“ aus Freital verantwortlich, namentlich den Angeklagten Schulz und Festing würde er solche Anschläge zutrauen. Er berichtete auch freiwillige von dem verschlüsselten „schwarzen Chat“, an dem er teilgenommen habe und von einer Internetseite, die er mit betrieben habe bis ihm diese zu radikal geworden sei.
Auf den Propagandafotos der Gruppe Freital, vermummt, mit Hakenkreuzfahne und Hitlergruß identifizierte er sich selbst und andere. Dabei habe es sich aber um eine „einmalige Sache“ gehandelt, es sei eben ein „Photoshootig“ angesetzt worden, da habe er sich beteiligt..
Die Befragung zur Vernehmung des Angeklagten Weiss begann vielversprechend, da der Zeuge sich an zahlreiche Antworten des Angeklagten zu den Anschlägen erinnerte. Bevor die allerdings vertieft werden konnte, musste die Befragung wegen der Erkrankung des Angeklagten Justin S. unterbrochen werden. Wann der Zeuge erneut geladen werden wird ist unklar, da zunächst die bereits erfolgten Zeugenladungen abgearbeitet werden sollen. Auch die Vernehmung der weiteren für heute und morgen geladenen Zeugen wird bis auf weitere aufgeschoben.
Erneut wurde deutlich, dass die polizeilichen Ermittlungstätigkeiten vollständig auf die Anschläge mit Hilfe von Sprengkörpern reduziert wurden und die Tatmotivation, politische Zielsetzung und der Rassismus, der nicht nur durch die Anschläge sondern auch durch die sogenannten Bürgerwehr und die Demonstrationen eine extrem gewalttätige Dynamik erfuhr nahezu ignoriert wurden. Ob dies auf Unfähigkeit seitens der Spezialisten zur „Bekämpfung politisch motivierter Kriminalität“ oder auf deren Unwillen zurückzuführen ist, ist noch unklar.